1.9.2024 Christina Stresemann über ihren Großvater
Spätsommer in Berlin. Der Tag der Wahlen in Thüringen und Sachsen. Wunderbares Wetter mit Blick auf Zoo und Breitscheidplatz. Die Sonnenbrillen kommen auf der Terrasse der Pan am Lounge noch mal zum Einsatz. Und dann geht es drinnen im 60er Jahre Ambiente der Lounge mit ihrer Original Einrichtung aus Pan Am-Zeiten, als Flugzeuge in einer eingekesselten Stadt noch grenzenlose Freiheit signalisierten, um die Schicksalsjahre der ersten deutschen Republik und ihren Protagonisten Gustav Stresemann. Seine Enkelin, die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Christina Stresemann erzählt mit feinem Humor und glasklarem Blick von Parallelen und Gegensätzen zwischen Gustav Stresemann und Harry Graf Kessler. Stresemann, Sohn eines Berliner Bierhändlers und das einzige von 8 Kindern, das eine höhere Schule besuchen konnte – dagegen Kessler reich, luxuriös und international aufgewachsen. Er ging nach dem Abitur „erst einmal auf Weltreise“, während Stresemann leider sofort arbeiten musste. Trotzdem verband die beiden Männer, die noch im ersten Weltkrieg annexionistische Positionen vertreten hatten, nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs Ihr Eintreten für die Republik. Karl-Heinz Paqué unterstrich noch einmal mit Belegen aus Kesslers Tagebuch, dass der von Stresemann eingefädelte Dawes-Plan, die finanzielle Unterstützung Deutschlands durch die USA, das mit den Reparationszahlungen schwer belastet war, am 29.8.1924 den 1. Weltkrieg eigentlich erst beendete. Im Reichstag kam es damals zu tumultartigen Szenen und die Abstimmung war ungewiss – ziemlich genau vor 100 Jahren. „Ein ferner Spiegel“, wie ein Gast meinte.